Krankheitsbild
Etwa ein bis drei Wochen nach einer Infektion durch einen bestimmten Bakterientyp (ß-hämolysierende Streptokokken Gruppe A), wie zum Beispiel Scharlach, Mandelentzündung oder einer Mittelohrentzündung kommt es in 0,1 bis 3% der Fälle zum Rheumatischen Fieber. Noch vor wenigen Jahrzehnten zählte dieses zu den häufigsten rheumatischen Erkrankungen, kommt heute jedoch in den hochentwickelten Ländern dank der besseren medizinischen Versorgung (Antibiotika!) nur noch relativ selten vor. Betroffen sind fast ausschließlich Patienten bis zum 30. Lebensjahr, die meisten sind zwischen 5 und 15 Jahre alt.
Diagnose
Typisch für das Rheumatische Fieber sind Entzündungen mehrerer, im Laufe der Erkrankung wechselnder Gelenke (akute migratorische Polyarthritis). Häufig finden sich unter der Haut gelegene „Rheumaknötchen” und Entzündungen des Herzens (Myokarditis). Gelegentlich treten rötliche ringförmige Flecken am Körper (Erythema anulare) auf. Selten und fast nur bei weiblichen Betroffenen kommt es zu einer Beteiligung des Nervensystems und damit zu Bewegungsstörungen (Chorea minor). Nebenkriterien für die Diagnose des Rheumatischen Fiebers sind hohes Fieber von 39-40 °C, Gelenkschmerzen, EKG-Veränderungen (verlängerte PQ-Strecke) und Herzgeräusche.
Bei der Laboruntersuchung zeigen sich eine beschleunigte Blutsenkung, eine Erhöhung des CRP-Wertes, der akute Entzündungen anzeigt, und ein auf über 350 IU/ml erhöhter Antistreptolysin-O-Titer (in 85% der Fälle), der auf eine vorausgegangene Streptokokken-Infektion hinweist.
Die Diagnose „Rheumatisches Fieber” gilt als sicher, wenn zwei der Hauptkriterien oder ein Hauptkriterium und zwei der Nebenkriterien erfüllt sind.
Krankheitsverlauf
Die Erkrankung kann sich sehr unterschiedlich entwickeln. Beim Erwachsenen kommt es meist nur zu einem “relativ milden” Verlauf, bei dem die Gelenkentzündungen mit Rötung, Schwellung und starken Schmerzen der betroffenen Gelenke – meist großer, seltener kleinerer Gelenke – im Vordergrund stehen. Es kann jedoch auch bei ihnen zur klassischen Verlaufsform des Rheumatischen Fiebers kommen, die sich bei gut 80% aller Patienten im Kindesalter zeigt. Hier kommt eine Entzündung der Herzinnenhaut und der Herzklappen (Endokarditis) oder seltener des Herzbeutels (Perikarditis) hinzu. Gelegentlich zeigt sich das Rheumatische Fieber sogar ausschließlich in einer Myokarditis mit Herzschmerzen, Herzschwäche und Beschleunigung des Pulsschlages.
Gleichzeitig ist die Herzentzündung die schwerste Komplikation der Erkrankung: Während sich die Gelenkentzündungen in der Regel unter Therapie nach einigen Wochen und unbehandelt nach sechs Monaten vollständig zurückbilden, kann das Rheumatische Fieber zu bleibenden Schäden am Herzen führen. In einem Lehrbuch (Siegenthaler/Kaufmann/Hornbostel/Waller (Hrsg.), Lehrbuch der Inneren Medizin, Thieme Verlag, 3. Auflage 1992, Kapitel Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises) heißt es sehr plastisch, „das Rheumatische Fieber leckt an den Gelenken, beißt aber das Herz“. So können noch einige Zeit nach Ende der akuten Erkrankung Vernarbungen im Bereich der Herzklappen mit daraus folgenden Beeinträchtigungen der Herztätigkeit auftreten.
Therapie
Zunächst wird man eineeventuell noch bestehende Streptokokken-Infektion über einige Wochen mit hohen Dosen von Penicillin (bei Allergikern Erythromycin) behandeln.
Gleichzeitig kann der Arzt gegen die Gelenkentzündungen Medikamente aus der Gruppe der Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) geben, wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure (Aspirin®), Ibuprofen, Indometacin oder Etofenamat. Wenn eine Beteiligung des Herzens nicht sicher auszuschließen ist, wird man zusätzlich oder ersatzweise über einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten, wenigstens aber bis zur Rückbildung der EKG-Veränderungen und Herzgeräusche, Cortison-Präparate in langsam sinkender Dosis geben.
Eine physikalische Therapie im engeren Sinne ist nicht notwendig, da das Rheumatische Fieber keine bleibenden Einschränkungen der Beweglichkeit verursacht. Im akuten Stadium der Erkrankung können jedoch Gelenkschonung (bei Herzentzündung Bettruhe!) und Kälteanwendungen an den betroffenen Gelenken Linderung verschaffen.
Ursache
Die Ursache des Rheumatischen Fiebers ist bislang nicht eindeutig gesichert. Man vermutet allerdings eine Überempfindlichkeitsreaktion auf einen bestimmten Bakterientyp, die eingangs schon erwähnten ß-hämolysierenden Streptokokken Gruppe A. Diese bilden Antigene, die auch mit menschlichem Bindegewebe – etwa an den Gelenken oder am Herzen – reagieren und damit die beschriebenen Entzündungen auslösen können. Die Tatsache, dass nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Patienten, die eine Streptokokken-Infektion durchgemacht haben, am Rheumatischen Fieber erkranken, wird auf genetische Faktoren zurückgeführt.
Vorbeugung
Nach Abklingen der akuten Symptome sollte zur Vermeidung einer erneuten Erkrankung der Herd der auslösenden Infektion behandelt werden, etwa durch eine Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie). Zur Vermeidung von Rückfällen werden über mehrere Jahre Antibiotika in mittlerer Dosis gegeben.
Allgemein lässt sich sagen, dass jede fieberhafte Infektion des Nasen-Rachen-Raumes möglichst bald vom Arzt untersucht werden sollte. Dieser kann gegebenenfalls frühzeitig eine Antibiotika-Therapie einleiten und somit unter günstigen Umständen schon einen ersten Ausbruch des Rheumatischen Fiebers verhindern.
(to)
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