Schwangerschaftszeichen und -nachweis
Mit Eintreten einer Schwangerschaft stellen sich einschneidende körperliche Veränderungen ein. Spätestens beim Ausbleiben der Regelblutung muss eine Schwangerschaft in Erwägung gezogen werden.
Schwangerschaftszeichen
Man unterscheidet unsichere und sichere Zeichen einer Schwangerschaft. Nur ein sicheres Zeichen erlaubt eindeutig die Diagnose einer Schwangerschaft.
- Unsichere Zeichen:
- Ausbleiben der Regelblutung (Amenorrhoe)
- morgendliche Übelkeit, Erbrechen und Schwindel
- Vergrößerung und Spannungsgefühl der Brüste
- livide Verfärbung und verstärkte Sekretabsonderung von Scheide und Vulva
- vermehrte Hautpigmentierung
- Absonderung von Vormilch (Kolostrum) aus den Brustwarzen
- tastbare Auflockerung des Uterusgewebes
- Sichere Zeichen:
- Nachweis der kindlichen Herztöne (mit Ultraschall ab der 7. SSW)
- sonographischer Nachweis von Kindsteilen (Kopf, Extremitäten)
- Tasten von Kindsteilen (ab der 20. SSW)
- spürbare Kindsbewegungen (ab der 20. SSW)
- Sichere Schwangerschaftszeichen sind alle vom Feten ausgehenden Zeichen.
Schwangerschaftsnachweis
Alle heute gebräuchlichen Schwangerschaftsnachweise beruhen auf dem Nachweis des ß-HCG (humanes Choriongonadotropin), das bereits wenige Tage nach der Einnistung des Eies vom Trophoblasten gebildet wird und in seiner Konzentration bis zur 11. SSW stark zunimmt.
Im Blut ist das ß-HCG bereits 10 Tage, im Urin ca. 2 Wochen nach der Befruchtung nachweisbar. Am weitesten verbreitet ist der immunologische Nachweis von HCG. Nach Zugabe des HCG-haltigen Schwangerenurins zu einem Antiserum wird eine Antigen-Antikörper-Reaktion ausgelöst, die durch Verklumpungen leicht nachzuweisen ist. Der ß-HCG-Test mittels Schwangerenurin wird positiv ab dem 1. Tag nach Ausbleiben der Regel, seine Sicherheit liegt bei 99%.
Anpassung des mütterlichen Organismus an die Schwangerschaft
Die einzelnen Organsysteme müssen sich an die geänderten Anforderungen, die bei einer Schwangerschaft entstehen, anpassen.
Herz-Kreislauf-System
Die umfangreichsten Umstellungen betreffen das Herz-Kreislauf-System. Mit der Plazenta und dem immer größer werdenden Uterus sind zwei zusätzliche Organe adäquat mit Blut zu versorgen.
- Auswirkungen:
- Verdickung der Herzmuskelschicht (Hypertrophie)
- Erhöhung der Pulsfrequenz um ca. 10-20/min
- Erhöhung des Herzminutenvolumens
- Erhöhung des Blutplasmavolumens um ca. 30-40%
- Erhöhung des Erythrozytenvolumens um 10-15%
- Erhöhung der Atemfrequenz
- Da das Erythrozytenvolumen nur um 10-15%, das Plasmavolumen aber um 30-40% zulegt, kommt es zu einer durch Verdünnung bedingten Schwangerschaftsanämie.
- Cava-Kompressions-Syndrom
Durch die massive Größen- und Gewichtszunahme des Uterus kann es in Rückenlage zu Druck und Kompression auf die untere Hohlvene (V. cava) kommen. Folge ist ein vorübergehender massiver Blutdruckabfall mit Kreislauf-kollaps. Deshalb sollten Schwangere im fortgeschrittenen Stadium immer in Seitlage liegen.
Nieren und harnableitendes System
Die hormonellen Umstellungen bewirken eine Weitstellung der Harnleiter. Folge ist eine erhöhte Anfälligkeit gegen aufsteigende Harnwegsinfektionen. Durch das erhöhte Plasmavolumen kommt es zu einer verstärkten glomerulären Filtration und einem erhöhten Harnvolumen. Besonders in der Endphase der Schwangerschaft kommt es zu einer physiologischen Glukosurie und Proteinurie, bedingt durch die erhöhte Durchlässigkeit der Glomeruli.
Magen-Darm-Trakt
Eine Schwangerschaft hat durch die enorme Raumforderung im Bauchraum und die Verdrängung von Magen und Darm typische Auswirkungen. Regelmäßig finden sich Sodbrennen und Verstopfung, aber auch Zwerchfellhochstand mit Kurzatmigkeit.
Stoffwechsel
Die Steigerung des Stoffwechsels um ca. 20% betrifft alle Stoffwechselsysteme und hat typische Auswirkungen:
- Erhöhung des Blutzuckerspiegels (Schwangerschaftsdiabetes)
- Erhöhung der Blutfette (Cholesterin) und Eiweiße
- Zunahme der Gewebsflüssigkeit (Ödemneigung)
- Erhöhung der Kortisonwerte
Typisch für die Stoffwechselsteigerung in der Schwangerschaft ist die Neigung zu erhöhten Blutzuckerspiegeln (Schwangerschaftsdiabetes).
Haut und Haare
Vorübergehend kann es zu Haarausfall kommen, der nach der Entbindung in der Regel wieder reversibel ist. Durch eine Bindegewebsschwäche kann es Einrissen in der Haut kommen (Schwangerschaftsstreifen).
Gewichtszunahme
Eine Schwangerschaft geht zwangsläufig mit einer Erhöhung des Gewichtes einher. Normal ist eine Gewichtszunahme von ca. 1,5 kg/Monat, am Ende der Schwangerschaft beträgt das durchschnittliche Zusatzgewicht ca. 11 kg.
Psyche
Die psychische Situation der Schwangeren ist durch die hormonelle Umstellung und die emotionale Auseinandersetzung mit dem erwarteten Kind starken Schwankungen unterworfen. Die Auswirkungen reichen von leichter Reizbarkeit über Euphorie bis zur depressiven Verstimmung.
Betreuung der Schwangeren
Die konstante ärztliche Betreuung und frühzeitige Behandlung eventueller Komplikationen hat wesentlich zur Senkung der Mütter- und Kindersterblichkeit beigetragen. Trotzdem kommt es in westlichen Industrienationen noch immer zu 20-30 mütterlichen Todesfällen/100.000 Lebendgeburten (1990 in Deutschland 7/100.000), die direkt auf Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett zurückzuführen sind. Dies macht die Notwendigkeit einer konsequenten, schematisierten Schwangerenvorsorge deutlich.
Im Verlauf einer normalen Schwangerschaft sollten Kontrolluntersuchungen in regelmäßigen Abständen erfolgen. Die Mutterschaftsrichtlinien bestimmen dabei Anzahl und Umfang der Vorsorgeuntersuchungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.
Bei kompliziertem Verlauf oder Risikoschwangerschaften erfolgen die Untersuchungen entsprechend häufiger. Die engmaschige Kontrolle der Schwangerschaften dient der Früherkennung und konsequenten Behandlung von eventuellen Komplikationen (z.B. Gestosen).
Nach dem derzeit verbreiteten Vorsorgeschema sollten die ärztlichen Untersuchungen der Schwangeren in folgenden Abständen erfolgen:
bis zur 32. SSW: alle 4 Wochen
33.-40. SSW: alle 2 Wochen
ab der 41. SSW (über Termin): jeden 2. Tag
Erstuntersuchung
Bei der Erstvorstellung der Schwangeren wird zunächst eine genaue Anamnese erhoben. Neben den allgemeinen Fragen zu Gesundheit und möglichen Erkrankungen werden vor allem Fragen zu vorhergehenden Schwangerschaften und Geburten gestellt. DerBegriff Gravida bezeichnet dabei die Anzahl der bisherigen Schwangerschaften, unabhängig vom Ausgang der Schwangerschaft. Mit Para wird die Anzahl der bisherigen Geburten bezeichnet.
Nach der Anamnese werden folgende Untersuchungen vorgenommen:
- Berechnung des Geburtstermins
- Messung von Blutdruck, Körpergewicht und Leibesumfang
- Bestimmung von Hb und Blutgruppe (einschließlich Rhesus-Faktor)
- Urinuntersuchung (Eiweiß, Zucker, Nitrit)
- Test auf Lues (Lues-Suchreaktion)
- Rötelnantikörpersuchtest (HAH-Titer)
- HIV-Serologie (freiwillig)
- vaginale Untersuchung (nur bis zur 20. Woche)
- äußere Untersuchung (ab der 20. Woche)
- Ultraschalluntersuchung
Eine normale Schwangerschaft dauert 280 Tage = 40 Wochen, gerechnet ab dem 1. Tag der letzten Menstruationsblutung (p.m. = post menstruationem). Gerechnet ab der Konzeption (Befruchtung) dauert eine Schwangerschaft ca. 266 Tage = 38 Wochen (p.c. = post conceptionem). Normalerweise wird aber bei bei allen Angaben zur Schwangerschaftswoche die Woche ab der letzten Menstruationsblutung angegeben (p.m.)
Die Errechnung des voraussichtlichen Geburtstermins erfolgt auch heute noch mit Hilfe der Naegelschen Regel:
1. Tag der letzten Regel – 3 Monate + 7 Tage + 1 Jahr
Bei verkürztem oder verlängertem Zyklus ist die abweichende Zahl der Tage zu addieren bzw. abzuziehen.
Berechnung des Geburtstermins: 1. Tag der letzten Regel – 3 Monate +7 Tage + 1 Jahr.
Mutterpass
Die Ergebnis aller Untersuchungen wird in den Mutterpass eingetragen, den eine Schwangere immer bei sich tragen sollte. Der Mutterpass dient der kompletten Dokumentation von zwei Schwangerschaften und wird bei der Erstvorstellung angelegt.
Folgende Befunde werden im Mutterpass dokumentiert:
- ausführliche Erstanamnese
- serologische Untersuchungsergebnisse (außer Lues und HIV)
- Untersuchungsbefunde der Schwangeren (Blutdruck, Ödeme, Blutbild)
- kindliche Befunde der Vorsorgeuntersuchungen (Kindslage, Herztöne, Kindsbewegungen, Fundusstand)
- CTG-Befunde und Ultraschallergebnisse
Schwangerenberatung
Da auch eine normale Schwangerschaft mit großen psychischen und körperlichen Umstellungen einhergeht, ist eine ausführliche Beratung und Betreuung der Frauen während und auch nach der Schwangerschaft von großer Bedeutung. Viele Frauen fühlen sich mit der neuen Situation überfordert. Bei all dem muss den Schwangeren allerdings auch klar gemacht werden, dass eine Schwangerschaft keine vollständige Umstellung aller Lebensgewohnheiten erfordert.
Ernährung
Während einer Schwangerschaft hat der Organismus einen zunehmenden Bedarf an Eiweiß, Vitaminen und Mineralien, insbesondere Eisen und Kalzium. Durch eine abwechslungsreiche, eiweißreiche und fettarme Mischkost kann der zusätzliche Bedarf der Schwangeren gedeckt werden.
- Ernährungsempfehlungen:
- Milchprodukte wie Frischmilch, Joghurt, Käse oder Quark (Kalzium)
- frisches Obst und Gemüse (Deckung des Vitamin- und Mineralienbedarfs)
- Verwendung von Jodsalz oder mindestens zwei Fischmahlzeiten pro Woche (Deckung des zusätzlichen Jodbedarfs, Strumaprophylaxe)
Wenn der Schwangeren große Mahlzeiten nicht bekommen (Sodbrennen, Magendrücken), kann auch auf 5-6 kleinere Mahlzeiten verteilt werden. Die Deckung des auf ca. 2 Liter erhöhten Flüssigkeitsbedarfes sollte durch Mineralwasser, Frucht- oder Gemüsesäfte erfolgen.
Entgegen den landläufigen Vorstellungen ist der Kalorienbedarf in der Schwangerschaft nur sehr mäßig um ca. 300 kcal erhöht. Sinnvoll ist daher in der Schwangerschaft nicht das Erhöhen der Portionen, sondern die Umstellung auf eine ausgewogene Mischkost.
Genussmittel
Koffeinhaltige Getränke wie Cola, schwarzer Tee und Kaffee sollten in der Schwangerschaft nur in geringen Mengen zu sich genommen werden, da Koffein in großen Mengen das Missbildungsrisiko erhöhen kann.
Auf Alkohol sollte in der Frühschwangerschaft gänzlich verzichtet werden, da es schon in Mengen ab etwa 60g/Woche (entspricht ca. 1 Flasche Wein) zu schweren geistigen Schäden des Neugeborenen (Alkoholembryopathie) führen kann. Im letzten Drittel der Schwangerschaft ist gegen eine gelegentliche kleine Menge nichts einzuwenden.
Das Rauchen verschlechtert die plazentare Durchblutung und führt zu dystrophen, untergewichtigen Kindern und einer erhöhten Frühgeburtenrate. Daher ist jeder Frau zu empfehlen, sofort nach Bekanntwerden der Schwangerschaft das Rauchen einzustellen.
Bei echter Drogenabhängigkeit der Mutter (Heroin) sollte während der Schwangerschaft kein Entzug angestrebt werden, sondern die für das Kind weniger belastende Umstellung auf Ersatzdrogen (Methadon).
Medikamente
Auf Medikamente sollte in der Schwangerschaft, soweit irgendwie möglich, verzichtet werden. Viele Präparate durchdringen die Plazentaschranke und können zu erheblichen Schädigungen des Kindes führen. Sollte eine medikamentöse Behandlung unumgänglich sein (schwere Infektionen), so ist eine Therapie im Einzelfall mit dem behandelnden Gynäkologen abzusprechen (z.B. Penicillin).
Sport
Leichter, regelmäßiger Sport tut der Schwangeren gut. Geeignet sind ungefährliche Sportarten wie Schwimmen, Gymnastik, Wandern, Joggen und auch Fahrradfahren. Nicht geeigent sind Leistungssport, Kraftsportarten und Sportarten mit kurzfristigen Erschütterungen und Belastungen (Reiten, Tennis, Squash).
Sex
Bei normal verlaufenden Schwangerschaften ist der Geschlechtsverkehr bis zum Ende der Schwangerschaft gefahrlos möglich. Lediglich bei Komplikationen wie Zwischenblutungen oder vorzeitigen Wehen sollte auf die körperliche Liebe verzichtet werden.
Reisen
Im Prinzip sind bis auf wenige Einschränkungen auch weitere Reisen in der Schwangerschaft möglich. Langes Sitzen (Flugzeug, Auto) ohne Bewegungsmöglichkeiten sollten allerdings vermieden werden. Auf Reisen in große Höhen (Hypoxiegefahr bei über 3.000 m) oder in die Tropen (Infektionsgefahr) sollte allerdings verzichtet werden.
Impfungen
Eine aktive Immunisierung mit Lebendimpfstoffen oder Toxinen sollte wegen der Gefahr einer Impfinfektion nicht durchgeführt werden. Eine passive Immunisierung mit spezifischen Antikörpern ist normalerweise ungefährlich.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages Haus&Groß
aus der Weissen Reihe „Gynäkologie und Geburtshilfe“ Band 7, 1999.