Wohl jedes Kind hat irgendwann einmal Bauchschmerzen, ohne ernstlich krank zu sein. Eltern wissen zumeist, dass Kummer, Aufregung oder Angst sich so äußern können und deshalb kein Grund zur Sorge besteht. Besonders kleine Kinder projizieren auch andere Schmerzen in den Bauch. So kann bei Ohren- oder Halsentzündungen und Fieber der Bauch weh tun.
Was aber, wenn sich die Attacken wiederholen oder gar häufen?
Wann sind Bauchschmerzen häufig?
Sowohl von der Dauer der Beschwerden als auch von der Häufigkeit der Schmerzepisoden lässt sich eine Einteilung ableiten. Dauern die Schmerzen über drei Monate an und/oder treten sie öfter als einmal pro Woche auf, spricht man von häufigen Bauchschmerzen.
Schmerzintensität
Anlass zu ärztlicher Untersuchung ist auch die Heftigkeit der Schmerzen. Unterbricht das Kind wegen der Schmerzen sein Spiel oder wacht es vor Schmerzen auf, sollten die Beschwerden ernst genommen werden. Alarmierend sind überdies Schmerzen, die in Schulter, Arm oder Brust ausstrahlen.
Am Anfang steht die Anamnese
Führen wiederholte Bauchschmerzen zum Arzt, wird zunächst ausführlich die Anamnese (Krankenvorgeschichte) erfragt. Neben schon erwähnter Dauer und Heftigkeit der Beschwerden interessieren
- eventuelle Zusammenhänge mit dem Essen – Schmerzen vor/während/nach der Mahlzeit?
- erkennbare Nahrungsunverträglichkeiten – Schmerzen etwa nach dem Genuss von Milchspeisen oder Früchten?
- der genaue Speiseplan des Kindes – so kann übermäßiger Genuss von Fruchtzucker in Fruchtsäften zu Gärungsprozessen mit schmerzhafter Gasbildung im Darm führen
- Durchfall oder Erbrechen im Zusammenhang mit den Schmerzen?
- oder neigt das Kind eher zur Verstopfung?
- Gewichtsschwankungen, besonders dauerhafte Gewichtsverluste?
Aus der akribisch erhobenen Anamnese können sich schon wichtige Hinweise für die folgende Diagnostik geben.
Körperliche Untersuchung
Sie beurteilt den Allgemein- und Ernährungszustand des Kindes. Zur Untersuchung des äußeren Erscheinungsbildes gehört auch die Inspektion der Analregion.
Die inneren Organe werden durch Abhören (Herz und Lunge) und Abtasten (Leber, Milz, Teile des Darms) untersucht.
Blutuntersuchung
Im Blut wird nach Entzündungszeichen gesucht, die im Rahmen von Darm- oder Organinfektionen verändert sind. Weitere Parameter geben Aufschluss über Funktion der Leber, Bauchspeicheldrüse und Nieren.
Zuckertests
In speziellen Tests wird geprüft, ob einzelne Zucker (Milch-, Frucht-, Koch- oder Traubenzucker) vertragen werden. Dazu erhält das nüchterne Kind eine Einzelportion jeweils eines chemisch reinen Zuckers. Anschließend wird anhand von Blutuntersuchungen oder Messung eines speziellen Wertes in der Ausatemluft beurteilt, ob dieser Zucker ordnungsgemäß verstoffwechselt wurde.
Stuhluntersuchung
Vor allem bei Verdacht auf Darminfektionen wird der Stuhl auf Krankheitserreger untersucht. Dabei kommen Bakterien (z. B. Salmonellen), Viren und Würmer in Frage.
Bildgebende Diagnostik
Im Ultraschallbild können Organe des Bauchraumes (Leber, Gallenblase, Milz, Bauchspeicheldrüse, Nieren und Harnblase) gut beurteilt werden.
Der Darm hingegen ist eher in speziellen Röntgenuntersuchungen darstellbar. Diese strahlenbelasteten Untersuchungen werdenaber nur im Ausnahmefall nötig.
Bei speziellen Fragestellungen ist eine Spiegelung des Magens und/oder des Darms (Endoskopie) sinnvoll. Kleine Kinder erhalten dazu eine kurze Narkose. Während der Spiegelung können über das Endoskop Magen und Darm von innen betrachtet werden. Kleine Schleimhautproben können entnommen und mikroskopisch beurteilt werden.
Was bringen diese vielen Untersuchungen?
Ob ein Kind sich diesen zahlreichen, teilweise unangenehmen Tests unterziehen muss, entscheidet der Arzt nach den Erkenntnissen, die ihm der bisherige Krankheitsverlauf brachte. Für echte organische Ursachen häufiger Bauchschmerzen gibt es über 100 Möglichkeiten, die eine gewissenhafte Kanalisierung der Diagnostik verlangen.
Bei kleinen Kindern sind am häufigsten zu erwarten. Im Übergang von Säuglings- auf Normalkost werden neue Nahrungsbestandteile in den Speisezettel aufgenommen, die dann Unverträglichkeitsreaktionen auslösen.
So wird recht häufig Milchzuckerunverträglichkeit gesehen. Auch die (Unverträglichkeit des Glutens in bestimmten Getreidesorten) oder Allergien gegen Fremdeiweiß (Hühner- oder Kuhmilcheiweiß) machen sich in diesem Alter bemerkbar.
Altere Kinder können an chronischen Darmentzündungen erkranken, bei denen der Körper gegen sich selbst allergisch reagiert (Morbus Crohn).
Auch ein gastroösophagealer Reflux (Rückfluss sauren Mageninhalts in die Speiseröhre) kann häufige Bauchschmerzen verursachen.
Seltene Lebererkrankungen können schubweise Anfälle von nichtansteckender Gelbsucht auslösen, die von Bauchschmerzen begleitet werden.
Schulkinder und Jugendliche haben gelegentlich Magenschleimhautentzündungen oder Geschwüre des Magens und/oder Zwölffingerdarms. In diesem Zusammenhang wird häufig eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori nachgewiesen.
Trotz allem: Organerkrankungen sind selten!
Die Erfahrung zeigt, dass trotz der vielen möglichen Ursachen nur jedes fünfte Kind mit häufigen Bauchschmerzen auch tatsächlich eine behandlungsbedürftige Organerkrankung hat.
Die große Mehrzahl (80-90%) der betroffenen Kinder ist organisch gesund.
In den meisten Fällen verschwinden die Bauchschmerzen nach einiger Zeit wieder.
Ein kleiner Teil der befallenen Kinder entwickelt später andere Schmerzen – etwa migräneartige Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen.
Was tun bei Schmerzen?
Eltern müssen oft überzeugt werden, dass ihr Kind eigentlich gesund ist. Steht doch diese Mitteilung in scheinbarem Gegensatz zu den geklagten Beschwerden. Das Vorliegen von unauffälligen Untersuchungsergebnissen, vor allem Ultraschall- und Blutuntersuchungen, ist hilfreich für die Überzeugungsarbeit des Arztes. Nur sehr selten muss beim Fortbestehen der Schmerzen, trotz fehlender organischer Ursache, ein Psychologe eingeschaltet werden.
Treten hin und wieder Bauchschmerzen auf, hilft das Wissen um die Organgesundheit des Kindes wiederum den Eltern im Beschwerdemanagement. Einige tröstende Worte und eine Wärmflasche auf den Bauch können die Mitteilung an das Kind begleiten, dass kein ernsthafter Grund zur Sorge besteht, da glücklicherweise alles gesund ist.
Dr. med. Sabine Stein
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