Die Naturheilverfahren sind im Kommen. Immer mehr Menschen setzen auf die “sanfte” Medizin, ein Attribut, das diesen Therapierichtungen oft zugeschrieben wird. Es wird immer schwieriger, sich auf diesem boomenden Markt zu orientieren. Oft verwirren sich auch die Begriffe. Da werden klassische Naturheilverfahren wie Wärme- und Kältetherapien, Wasseranwendungen und Massagen in einem Atemzug mit unkonventionellen und wissenschaftlich zum Teil nicht überprüften Therapiemethoden genannt.
Die diversen Therapieansätze, die meist den Anspruch erheben, ‘ganzheitlich’ zu heilen, werden von unterschiedlichen Berufsgruppen ausgeübt. In Deutschland besteht die Möglichkeit, sich einerseits von Ärzten oder aber auch von Heilpraktikern behandeln zu lassen. Psychotherapeutische Verfahren werden daneben noch von Diplom-Psychologen oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ausgeübt.
Ärzte
Der normale Ausbildungsgang sieht für Ärzte ein 12-semestriges Studium vor, das mit einem Staatsexamen und der Teilapprobation abschließt. Die Teilapprobation bedeutet, dass es dem Arzt erlaubt ist, ärztlich tätig zu werden, aber für die Dauer von 1,5 Jahren nur unter Aufsicht bzw. Anleitung eines erfahrenen Arztes. Dieser Zeitraum von 18 Monaten wird AiP (Arzt im Praktikum) genannt. Nach den 18 Monaten erfolgt die (Voll-)Approbation und es schließt sich eine mehrjährige Weiterbildungszeit an, die je nach Fachgebiet zwischen 3 und 6 Jahren dauert. Mit der Facharztprüfung erfolgt die Berechtigung, einen Facharzttitel zu führen, z.B. Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin (Internist). Zusätzlich zur Facharztbezeichnung besteht die Möglichkeit, eine Zusatzbezeichnung zu erwerben. Das bedeutet, dass der Betreffende sich nach seinem Examen intensiver mit einem Medizinbereich befasst hat, als es die übliche Ausbildung vorsieht.
So gibt es die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren, welche ein 3monatiges Praktikum in einer geeigneten Einrichtung und mehrere Lehrgänge umfasst. Die Zusatzbezeichnung Homöopathie erstreckt sich über mehrere Jahre berufsbegleitend und es muss eine Mindestzahl an Unterrichtstunden und Praxiserfahrung nachgewiesen werden. Daneben existieren noch weitere Zusatzbezeichnungen wie Chirotherapie, Sportmedizin und, ganz neu, der Fachkundenachweis Ernährungsmedizin.
Heilpraktiker
Heilpraktiker gibt es nur in Deutschland und einigen Kantonen der Schweiz. Heilpraktiker sind Personen, die ohne geregelte qualifizierte Ausbildung medizinisch tätig sein dürfen. Bis zum Jahre 1939 durfte jeder in Deutschland die Heilkunde ausüben. Mit dem 1939 in Kraft getreten Heilpraktikergesetz sollten die damals praktizierenden Heiler auf ein Mindestwissen hin geprüft werden. Neue Heiler sollten nur noch in Ausnahmefällen zugelassen werden. 1957 fiel die Zulassungsbeschränkung auf Ausnahmen.
Die meisten Personen, die Heilpraktiker aufsuchen, sind meist von der “Schulmedizin” und herkömmlichen Ärzten enttäuscht. Oft wird den Heilpraktikern ein großer Vertrauensvorschuss gegeben. Den meisten Hilfesuchenden ist jedoch nicht bewusst, dass die Ausbildung von Heilpraktikern gesetzlich nicht geregelt ist. Heilpraktiker ist kein Ausbildungsberuf. Wie das medizinische Wissen zur Ausübung der Tätigkeit erworben ist, ist dem einzelnen überlassen. Es besteht die Möglichkeit, über Abend- oder Wochenendkurse oder im Fernstudium Wissen zu erwerben. Es gibt auch Heilpraktikerschulen, die auch zum Teil eine Prüfung am Ende vorsehen. Heilpraktikerschulen sind private Unternehmen, die ohne staatliche Vorgaben arbeiten. So kann die Ausbildungsdauer an diesen Schulen zwischen 200 und 5000 Stunden Unterricht liegen.
Die einzige Bedingung, um als Heilpraktiker zu arbeiten, ist eine Überprüfung beim Gesundheitsamt auf seine Kenntnisse und Fähigkeiten. Für diesen Bereich gibt es keine Prüfungsordnung. Es ist nicht gesetzlich geregelt, welche Kenntnisse überprüft werden. Meist sind es Grundkenntnisse über allgemeine Anatomie und Physiologie. Spezielle Krankheitslehre und Therapie muss nicht nachgewiesen werden. Besteht ein Kandidat die Heilpraktikerprüfung nicht, so kann diese beliebig häufig wiederholt werden. Es gibt auch einen gewissen Prüfungstourismus zu den Ämtern, denen leichtere Prüfungsbedingungen nachgesagt werden.
Psychotherapeuten
Der Begriff “Psychotherapeut” war bis 1998 ungeschützt, d.h. jeder durfte diese Bezeichnung ohne den Nachweis einer spezifischen Ausbildung führen. Am 1.1.1999 ist das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychThG) in Kraft getreten. Mit Inkrafttreten ist die Bezeichnung“Psychotherapeut/in” geschützt und darf von anderen Personen als Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht geführt werden. Das Führen dieser Bezeichnung durch nicht berechtigte Personen ist ab diesem Zeitpunkt unter Strafe gestellt. Das gilt auch für Diplom-Psychologen, die nicht beabsichtigen, die Approbation nach dem PsychThG zu beantragen. Heilpraktiker, die sich künftig der auf das Gebiet der Psychotherapie eingeschränkten Heilpraktikerüberprüfung erfolgreich unterziehen, führen dann die Bezeichnung “Heilpraktiker/in (Psychotherapie)” (Empfehlung der NRW-Gesundheitsämter zum Heilpraktikergesetz HPG und PsychThG).
Diplom-Psychologen, die künftig als Psychotherapeuten arbeiten wollen, müssen die Approbation beantragen und hierzu einen Nachweis über ihre psychotherapeutische Ausbildung führen. Hierbei werden zur Zeit neben der Verhaltenstherapie die Psychoanalyse anerkannt. Beide Ausbildungsverfahren sind sehr zeit- und kostenintensiv und werden erst nach erfolgreich abgeschlossenem Studium durchlaufen.
Kosten
Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) übernehmen Behandlungskosten grundsätzlich nur bei Ärzten. Diese müssen dafür eine Kassenzulassung haben. Die Abrechnung erfolgt üblicherweise über die Chipkarte. Die klassischen Naturheilverfahren gehören dabei zum Leistungsspektrum einer gesetzlichen Krankenkasse. Daneben gibt es Leistungen wie die Akupunktur oder Homöopathie, die nicht direkt zum Leistungsspektrum der Gesetzlichen Kassen gehören, häufig wird aber auf Antrag ein Teil der Kosten durch die GKV erstattet. Ärzte, die eine Kassenzulassung haben, bieten daneben häufig reine Privatleistungen an, die aus dem Bereich der unkonventionellen Therapieverfahren stammen (z.B. Kinesiologie oder Bioresonanztherapie). Diese Leistungen müssen vom gesetzlich versicherten Patienten in aller Regel selbst bezahlt werden. Dazu wird meistens vor Aufnahme der Behandlung eine Honorarvereinbarung getroffen.
Privat versicherte Patienten haben meistens einen größeren Spielraum. Sie können als Behandler Ärzte mit oder ohne Kassenzulassung wählen. Bei ihnen wird der Behandlungsvertrag direkt zwischen Arzt und Patient geschlossen. Das bedeutet konkret, dass die Rechnung nach erfolgter Behandlung an den Patienten gerichtet ist. Bei Inanspruchnahme unkonventioneller Diagnose- und Therapieverfahren empfiehlt sich, vorher unbedingt die Rücksprache mit der Privaten Krankenkasse, welche Leistungen in welchem Umfang versichert sind. Das Leistungsspektrum Privater Krankenkassen unterscheidet sich erheblich, je nach Versicherungstarif (z.B. Studenten) findet zum Teil eine Begrenzung des Steigerungsfaktors der GOA (Ärztliche Gebührenordnung) z.B. auf das 1,8 fache (möglich ist sonst der Faktor 2,3 ohne besondere Begründung) statt. Daneben gibt es private Versicherer, die auch Leistungen bei Heilpraktikern übernehmen. In Zweifelsfällen aber muss immer erst einmal der privat versicherte Patient, solange keine Kostenübernahmeerklärung seiner Versicherung vorliegt, für die Kosten einstehen.
Bei Inanspruchnahme der Behandlung durch Heilpraktiker wird grundsätzlich privat bezahlt. Es empfiehlt sich, unbedingt vor Aufnahme der Behandlung einen Behandlungsplan zu erstellen. Wichtige Fragen, die vorab geklärt sein müssen, sind z.B: Worin besteht der wesentliche Unterschied dieser Behandlung zu der schulmedizinischen Behandlung und welche Nebenwirkungen und Risiken birgt die Behandlung? Kann die Behandlung mit schulmedizinischen Methoden kombiniert werden? Welches sind die Anzeichen, dass sich die Erkrankung trotz Behandlung verschlimmert? Was geschieht mit den bisher eingenommenen Medikamenten?
Im Behandlungsplan sollte das Ziel der Behandlung klar genannt sein. Geklärt werden sollten folgende Punkte: In welchen Einzelschritten wird die Behandlung vorraussichtlich ablaufen und wie lange wird die Behandlung vorraussichtlich dauern? Nach welcher Gebührenordnung wird abgerechnet? Wie hoch sind die Kosten für Medikamente? Welche Kosten werden eventuell von einer Krankenversicherung übernommen?
(nach: Handbuch. Die andere Medizin; Stiftung Warentest 1996).
Die psychotherapeutische Behandlung durch approbierte Diplom-Psychologen wird in aller Regel bei Vorliegen einer Diagnose bzw. Indikation durch die Privaten und Gesetzlichen Krankenkassen (bei Vorliegen einer Kassenzulassung) übernommen. Es empfiehlt sich aber, auf jeden Fall vor Aufnahme der Behandlung mit der Kasse Rücksprache zuhalten. Häufig wird nur eine bestimmte Stundenzahl bewilligt und es sind meistens nur die Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse zugelassen. Wer sich mit anderen psychotherapeutischen Verfahren behandeln lassen möchte (z. B. Psychodrama oder Bioenergetik), wird meistens selbst für die Kosten aufkommen müssen.
Dr. med. Sybille Fritsch
Gesetze für Heilpraktiker « Naturheilkunde « Heilpraktiker, Gesetze
am 22. Oktober 2010
[…] Heilpraktiker/Ärzte/Psychotherapeuten: Im Dschungel der (Natur-)Heiler […]