Warum Rückenschule?
Rückenschmerzen, die in der überwiegenden Mehrzahl durch bandscheibenbedingte Erkrankungen verursacht werden, stellen heutzutage die Volkskrankheit Nummer 1 dar. Nahezu jeder Mensch in den Industrienationen wird irgendwann im Laufe des Lebens hiervon betroffen. Am häufigsten (> 60%) sind Probleme im Bereich der Lendenwirbelsäule, etwa ein Drittel der Erkrankungsfälle betreffen die Halswirbelsäule, Schmerzen seitens der Brustwirbelsäule sind demgegenüber selten.
Die Ursachen für Bandscheibenerkrankungen sind vielfältig. Natürliche Verschleißerscheinungen werden durch Fehlbelastungen und -haltungen im Alltag verstärkt. Hierbei handelt es sich nicht nur um Extrembelastungen, sondern um ganz normale Verrichtungen bei der Arbeit und in der Freizeit. Die Möglichkeiten der orthopädischen Schmerztherapie haben sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt, so dass nur noch ein geringer Prozentsatz der von bandscheibenbedingten Erkrankungen Betroffenen operiert werden muss. Der Schwerpunkt liegt heutzutage jedoch im Bereich der Vorbeugung von Beschwerden. Der Rückenschule kommt dabei die Aufgabe zu, wirbelsäulenschonendes Verhalten im Alltag zu vermitteln. Sie hat aber nicht nur vorbeugenden Charakter, sondern spielt auch in der Rehabilitation von Wirbelsäulenpatienten eine wichtige Rolle.
Inhalte der Rückenschule
Die Nährstoffversorgung der Bandscheibe hängt von einem Wechsel zwischen Be- und Entlastung ab. Daher wirkt sich Bewegung allgemein positiv aus. Rückenfreundlicher Sport sollte regelmäßig – mehrmals wöchentlich, am besten täglich – ausgeübt werden. Geeignete Sportarten sind: Wandern, Radfahren, Schwimmen (v.a. Rückenschwimmen), Jogging, Skilanglauf und spezielle Wirbelsäulengymnastik. Bei allen Sportarten müssen natürlich die anderen Rückenschulregeln beachtet werden. So ist z. B. beim Radfahren darauf zu achten, dass die untere Wirbelsäule gerade gehalten wird. Viele populäre Sportarten sind leider eher wirbelsäulenbelastend, wie z. B. Tennis, Squash, Windsurfen oder alpiner Skisport.
Die Bauch- und Rückenmuskulatur bildet eine wesentliche Stütze der Lendenwirbelsäule. Entsprechende Übungen zur Kräftigung werden unter Anleitung von Physiotherapeuten erlernt und müssen danach selbständig fortgeführt werden. Im besten Fall wird das tägliche Gymnastikprogramm so in den Alltag integriert, dass es wie das Zähneputzen zur Routinehandlung wird.
Asymmetrische Belastungen der Wirbelsäule führen zu Verschiebungen von Bandscheibengewebe. Kräfte sollten daher möglichst entlang der Körperlängsachse auf die Wirbelsäule einwirken. Besondere Relevanz besitzt dieser Sachverhalt für das Bewegen von Lasten. Beim Heben sollte der Rücken nie gekrümmt werden. Das Heben aus der Hocke heraus bildet die wirbelsäulenschonende Alternative. Schwere Lasten sollten so selten wie möglich gehoben werden. Wann immer es möglich ist, sollte die Last auf mehrere Portionen verteilt oder ein Hilfsmittel eingesetzt werden. Wenn ein Hebevorgang (in richtiger Haltung, also aus der Hocke heraus) unvermeidbar ist, sollte die Last möglichst nah am Körper geführt werden, um Krafteinwirkungen an langen Hebelarmen auf die Wirbelsäule zu vermeiden.
Bei Hohlkreuzhaltungen werden die kleinen Wirbelgelenke überproportional belastet. Auch hier können schmerzhafte Erkrankungenentstehen. Ein Hohlkreuz liegt v. a. beim Stehen mit gestreckten Beinen vor. Bei entsprechenden Alltagshandlungen, wie z. B. Bügeln, Fegen, Wischen etc., ist deshalb darauf zu achten, dass ein Bein immer angewinkelt wird. Dies ist z. B. durch Aufsetzen eines Beines auf eine Fußbank, ein niedrige Kiste oder Ahnlichem möglich. Auch beim Schlafen sollten die Beine angewinkelt werden.
Die meisten dieser Verhaltenstips sind verständlich und einfach zu erlernen. Problematisch ist jedoch deren dauerhafte Beachtung im Alltag. Rückenbelastende Verhaltensmuster wie das Heben mit gebeugtem Rücken wurden meistens seit Jahrzehnten ausgeführt und lassen sich nur durch sehr bewußtes und langfristiges Üben durch wirbelsäulenfreundliches Verhalten ersetzen.
Rückenschule – für wen?
Die genannten Verhaltenstips bilden einen wesentlichen Baustein zur Vermeidung von Wirbelsäulenbeschwerden und gelten prinzipiell für jeden. Auch bei aufgetretenen Beschwerden lassen sich entsprechende Programme zur Vorbeugung von Rückfällen einsetzen. Auf Grund der außerordentlichen Häufigkeit von Wirbelsäulenerkrankungen sollte das Erlernen rückenschonenden Alltagsverhaltens so früh wie möglich im Leben einsetzen. Eine echte Prävention lässt sich daher erreichen, wenn bereits Kindergarten- und Schulkindern, ein wirbelsäulengerechtes Alltagsverhalten auf spielerische Weise vermittelt wird.
Im höheren Alter, wo Bandscheibenerkrankungen seltener vorkommen, kommt die Rückenschule zur Vorbeugung von Komplikationen einer Osteoporose zum Einsatz. Ein osteoporotischer Knochen besitzt ein besonders Bruchrisiko und unnötige Belastungen müssen daher vermieden werden. Die rückenschonende Bewegung kann darüber hinaus zum Erhalt und u. U. zum Wiederaufbau der Knochensubstanz beitragen.
Rückenschule – wo?
Die Rückenschulangebote haben innerhalb des letzten Jahrzehnts deutlich zugenommen, so dass sich zur Zeit nahezu überall Möglichkeiten finden. Neben Praxen für Physiotherapie und amulanten Rehabilitationszentren bieten auch Volkshochschulen, Sportvereine und Krankenkassen Rückenschulkurse an.
Literatur
Unter vielen Büchern, die sich mit der Prävention von Wirbelsäulenerkrankungen beschäftigen, soll stellvertretend das Werk desjenigen Autors empfohlen werden, der als einer der ersten eine Rückenschule in Deutschland konzipiert und propagiert hat:
Krämer, J.: Bandscheibenschäden: Vorbeugen durch Rückenschule. Heyne-Verlag, München, 1992.
Dr. med. Christian Plafki
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